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Wien/Brüssel – Der ORF widmet seine Diskussionssendung "Im Zentrum" am kommenden Sonntag ausschließlich einem Interview mit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Ein entsprechender Bericht der Gratiszeitung "Heute" wurde der APA am Montag im ORF bestätigt. Interviewen soll ihn Ingrid Thurnher. Begründet wurde dies mit dem EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise am Montag bei dem Faymann Österreich vertritt. Nicht nur die Opposition in Form der Grünen und der FPÖ übt heftige Kritik am ORF, sondern auch Koalitionspartner ÖVP.

Man nehme sich damit Anne Will in der deutschen ARD zum Vorbild, die zuletzt ein Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesendet hatte, so der ORF. Einzel-Interviews mit anderen Politikern seien vorerst "Im Zentrum" nicht geplant. Andere Formate als die übliche Diskussionsrunde seien aber auch nicht ausgeschlossen, hieß es im ORF. So wurde etwa darauf verwiesen, dass es auch im Jahr 2015 schon anlässlich 70 Jahre Kriegsende eine Sendung mit Hugo Portisch und der Autorin Maja Haderlap gegeben habe.

Grünen kritisieren ORF

Kritik am Faymann-Solo im ORF kommt von den Grünen. "Werner Faymann scheut Diskussionen mit der politischen Konkurrenz. Schon bei der letzten Nationalratswahl verweigerte er die Elefantenrunde. Jetzt bekommt er mit 'Werner allein im Wohnzimmer' ein eigenes Sendungsformat. Es ist einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk unwürdig, im Vorfeld der anstehenden ORF-Neuwahl vor dem roten Parteichef zu buckeln", schreibt der Mediensprecher der Grünen, Dieter Brosz, in einer Aussendung. Wenn der ORF der Meinung sei, dass ein Interview mit Faymann die journalistisch bessere Alternative wäre, gäbe es dafür die Pressestunde, so Brosz weiter: "Offenbar kann Faymann sogar den Zeitpunkt der Ausstrahlung eines Interviews diktieren. Das ist nur mehr peinlich und wohl ein Vorgeschmack darauf, was uns in den nächsten Monaten noch alles erwartet."

FPÖ: "Kniefall der ORF-Führung"

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sprach von einem "medienpolitischen Skandal der Sonderklasse". Offensichtlich handle es sich um einen "vorsorglichen Kniefall der ORF-Führung angesichts der bevorstehenden Generaldirektorswahlen", so der FPÖ-Politiker. "Die parteipolitische Einseitigkeit des ORF ist ja allgemein bekannt, aber so offen hat er sich noch selten als Rotfunk deklariert." Es sei ungeheuerlich, dass es Faymann in einer Sendung, die als Diskussionsrunde gedacht sei, gestattet werde, ohne Mitdiskutanten seine Sprechblasen abzusondern.

ÖVP fordert Sensibilität

Eine Schelte kommt nicht nur von der Opposition, sondern auch vom Koalitionspartner ÖVP: "Dass der ORF ausschließlich den SPÖ- Parteivorsitzenden einladen will, ist nicht nur politisch fragwürdig, sondern auch noch besonders ungeschickt", so ÖVP- Mediensprecher, Generalsekretär Peter McDonald. Ein öffentlich-rechtlicher Sender solle bei der Auswahl seiner Gäste besondere Sensibilität an den Tag legen. "Gerade in Anbetracht dieser besonderen Stellung und auch dessen, dass im Sommer ein neuer Generaldirektor gewählt wird, setzt Generaldirektor Wrabetz durch derartige Signale, die in Richtung politischer Interventionen interpretiert werden können, Glaubwürdigkeit und Objektivität des ORF aufs Spiel", so McDonald via Aussendung.

Für die ATV-Interview-Sendung "Klartext" indes hat der Bundeskanzler abgesagt, wie der Privatsender auf APA-Anfrage erklärte. Faymann hätte es demnach lieber gesehen, wenn live gesendet und der Sendeplatz ihm ausschließlich zur Verfügung gestanden wäre. "Klartext" ist aufgezeichnet, geplant war ursprünglich zum Auftakt der vierten Staffel am Montagabend eine Ausgabe mit Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Letzterer ist nun der alleinige Gast in der heutigen Sendung. (APA, red, 7.3.2016)